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- Positionen und Gedanken über Typografie
Typografie, Kalligrafie und Schrift
Die Basis der Schriftmischung ist die Semantik.
Gute Typografie ist nicht verhandelbar.
Eine engagierte Typografin erzielt selbst mit einer miserablen Schrift ein gutes Ergebnis. Wohingegen ein ambitionsloser Typograf auch mit der besten Schrift der Welt nur ein mittelmäßiges Resultat erreicht.
Auf einem schottischen Friedhof findet man besser spationierte Versalien als im Titel eines deutschen Buches.
Schriften von Google sind Trojanische Pferde. In ihrem Bauch sind digitale Soldaten versteckt, die uns unablässig belagern und ausspionieren.
Wer sich in einer multimedialen Welt ernsthaft für Typografie interessiert, muss sich auch mit visuellen und phonologischen Prozessen beim Lesen einer Sprache, Wahrnehmungspsychologie und der Organisation von Hirnprozessen beschäftigen.
Unsere Kommunikationsmittel, Zielgruppen und Lesegewohnheiten sind so different und schnelllebig geworden, dass Typografie heute sowohl grafisches Handwerk, technisches Wissen als auch wissenschaftliche Aspekte umfaßt.
Schriftmischung ist eine typographische Methode, die Typologie eines Textes systematisch zu visualisieren, die Ausdrucksmöglichkeiten einer Sprache zu erweitern und die Ästhetik einer Schriftsatzarbeit zu optimieren.
Typografie bedeutet nicht, Buchstaben zu tippen, sondern Gedanken sichtbar und verständlich zu machen; in der Art, dass Inhalt, Schrift und Bild ein optisch und didaktisch befriedigendes Ganzes ergeben.
Alle Top-Grafikdesigner die ich kenne, sind auch leidenschaftliche Typografen.
Wir stehen am Anfang eines multidisziplinären Strukturwandels, mit Auswirkungen, die weitaus gravierender sein werden, als es durch die Typografie Gutenbergs geschah. Arbeit wird zur Tätigkeit, analoge Handlungsweisen werden zur Flexibilität, mechanische Zeit wird zur Echtzeit, Sendemasten ersetzen Bahnhofsuhren, Beschleunigung wird zur Gleichzeitigkeit und unsere Lebensräume und Werte werden sich weiterhin nachhaltig verändern. Wer diese Veränderungen erkennt und konstruktiv nutzt, wird sicherlich zu den Gewinnern gehören.
Ohne die Typografie wären Humanismus, Aufklärung, die Entdogmatisierung der Wissenschaft im Geiste Galileis und Keplers sowie die Entwicklung liberaler Gesellschaftsstrukturen undenkbar gewesen.
Zugleich begünstigte die Typografie jedoch auch die Verbreitung des Monotheismus, befeuerte die Inquisition und trug zur Verbreitung des Antisemitismus bei.
Du musst die Regeln der Typografie kennen, bevor du sie brechen kannst. Erst lernen, dann brechen!
Typografie ordnet sich nicht einfach unter; sie ist untrennbar mit dem sprachlichen und emotionalen Gehalt eines Textes verbunden. Die Wahl der Schrift und ihre mikrotypografische Umsetzung können ein Werk tragen oder zerstören. Ein Liebesgedicht von Rilke und eine Handy-Betriebsanleitung verlangen unterschiedliche Formen – ebenso wie Werkdruckpapier und ein VGA-Monitor Welten trennen. Tut mir leid, meine Herren: Die Erde ist rund, und die Typografie verlässt gerade das Getto des Stehkragenproletariats.
Heute stehen sämtliche Thesen über die »richtige und gute« Typografie auf dem Prüfstand. Typografie bedeutet nicht mehr eine »Times« in Cicero von links oben nach rechts unten – im besten Sinne Tschicholds – zu setzten.
Die meisten Typografen in Deutschland bekommen schon einen kleinen Orgasmus, wenn sie eine kursive Sabon mit einer fetten Imago mischen.
Ich bin ein Lyriker unter den Typografen.
Gutes Grafikdesign in deutschen Werbeagenturen? Unterhalten sie sich doch mal mit einem Art- oder Creativ Director über Gestaltung und Typografie. Spätestens nach fünf Minuten weiß der doch gar nicht mehr, worüber ich mit ihm rede.
Gute Fotos sind genauso wichtig wie gute Typografie. In Anbetracht dessen, dass wir unsere Umwelt zu 80 Prozent über unseren Sehsinn wahrnehmen, vermutlich sogar noch wichtiger.
Die meisten Typografen sind zu ihrem Schutz dogmatisch geworden.
Typografie ist für mich ein wichtiger Gestaltungsparameter. Ich investiere deshalb sehr viel Zeit in diesen Bereich der Gestaltung. Ich wähle Schriften immer sehr überlegt aus und überlassen nichts dem Zufall. Ich teste sie immer auf ihre Anwend- und Lesbarkeit. Jeder Buchstabe, jeder Abstand und jeder Leerraum wird von mir bewusst realisiert. Ich entwickle für jede Arbeit eine typographische Auszeichnungshierarchie, die den Leser bzw. Betrachter so angenehm wie möglich durch meine grafische Arbeiten führen soll und die ihn hoffentlich nicht langweilt.
Schriften haben im Grunde schon vor Jahrhunderten ihre perfekten Formen gefunden. Wer glaubt, heute noch eine Schrift entwickeln zu können, die schöner ist als eine von William Caslon oder von Giambattista Bodoni, der hat vermutlich wenig von Schriftgestaltung verstanden.
Deutsche und schweizer Typografen sollten sich nicht nur mit Tschichold und der linearen Anordnung einer Grotesk auseinandersetzen. Sie sollten öfters einmal ein TDC-Annual studieren, ohne nach der zehnten Seite Magensausen zu bekommen.
Buchstaben können ziemlich sexy sein. So hat beispielsweise das gemeine ›g‹ eine ziemlich erotische Wirkung auf mich. Ganz abgesehen vom ›Q‹ einer Renaissanceantiqua im Schnitt eines gemeinen Kapitälchens.
Eigentlich müsste die Helvetica Germanica heißen.
Designphilosophie – Aphorismen zu Gestaltung, Typografie und Fotografie
Gestaltung beginnt im Kopf – und ist stets Ausdruck einer Haltung. Diese Sammlung beinhaltet Positionen und Gedanken zur visuellen Kultur. Sie versteht sich als Fragment einer persönlichen Designphilosophie.
Die archivierten Aphorismen stammen von Wolfgang Beinert. Sie entstammen Logbüchern seiner Volontär:innen und Student:innen, aus Interviews, Publikationen sowie aus persönlichen Notizen. Inhaltlich beziehen sie sich auf Themen aus dem beruflichen Umfeld seiner Tätigkeit als Kommunikationsdesigner, Typograf und Fotograf. Die Sammlung wurde 1994 begonnen und wird fortlaufend ergänzt.
Die Einträge sind nach folgenden Schlagwörtern geordnet:

Wolfgang Beinert ist Kommunikationsdesigner und Fotograf. Als Gestalter arbeitet er für eine Klientel, die auf kosmopolitische Grafikdesignkultur, formvollendete Typografie und phantasievolle Bildkonzepte angewiesen ist. So u.a. für den Club of Rome, Chanel, Vogue, das Goethe-Institut, das British Council, Gmund Büttenpapier oder Leica Camera.
Durch seine »moderne und dennoch zeitlose Typografie« (Graphis, New York) und seine »außergewöhnlichen Gestaltungslösungen« (DesignNET, Seoul) wurde Wolfgang Beinert bereits vielfach international ausgestellt und ausgezeichnet; so beispielsweise vom Tokyo Type Directors Club, Art Directors Club und Type Directors Club of New York.
Das Goethe-Institut widmete ihm 2001 als ersten Grafikdesigner eine Retrospektive. Ein Jahr später wurde Wolfgang Beinert vom US-amerikanischen Designmagazin »Graphis« zu den wichtigen europäischen Grafikdesigner gezählt.
Das Zitieren ist ausschließlich nur mit der Quellenangabe gestattet. Eine Bearbeitungen bzw. sinngemäße Veränderung der Aphorismen bzw. Zitate ist nicht erlaubt. Nur unter diesen Bedingungen ist die Nutzung sowohl privat als auch kommerziell gestattet.
Mögliche Quellenangaben:
Wolfgang Beinert, Grafikdesigner
Wolfgang Beinert, Kommunikationsdesigner
Wolfgang Beinert, Typograf
Beim bibliographischen Zitieren für wissenschaftliche oder journalistische Arbeiten empfiehlt es sich, einen zeitlichen Kontext zum Aphorismus bzw. Zitat herzustellen. Die Quellenangabe sollte dann mit dem Jahr ergänzen werden, aus dem das Zitat stammt, beispielsweise
Wolfgang Beinert, Grafikdesigner, „Jahr, aus dem das Zitat stammt“. Online verfügbar unter „Seiten-URL“ („Datum des Abrufs“).
Wolfgang Beinert, Grafikdesigner, 2004. Online verfügbar unter www.wolfgang-beinert.de/zitate/design/ (4.4.2025).